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Prolog

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DeerDreamer's avatar
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Wieder einer dieser Tage..., dachte Elaine, als sie blinzelnd ins helle Morgenlicht sah, das durch die
winzigen Spalten im Rollo hereinsickerte und sich in der zarten, gestreiften Gardine verfing. Noch
einen Moment blieb sie liegen, um den Traum der letzten Nacht abzuschütteln, aber wie jedes Mal
in letzter Zeit, wenn sie schlecht geträumt hatte, blieb er hängen. Seufzend richtete sie sich auf und
dann, als sie sich noch ein bisschen gestreckt hatte, stand Elaine auf und ging, so leise sie konnte,
über den knarrenden Dielenfußboden, auf dem ein weicher Teppich lag, der ihre Schritte aber nur
wenig dämpfte. Ihr Freund, ein notorischer Langschläfer, brummte im Schlaf, als sie die Schiebetür
öffnete und ins nebenan gelegene Arbeitszimmer trat. Nach der Kälte im Schlafzimmer war die
mollige Wärme des Kachelofens, vor dem sie jetzt stand, richtig angenehm. Selbst wenn das Feuer
schon seit dem Abend aus war, gaben die graubraunen, rissigen Kacheln immer noch so viel Wärme
ab, dass sie beschloss, noch einen Moment am Kachelofen zu sitzen. Kissen und Decken lagen noch
von gestern Nachmittag bereit, sodass sie nur die benutzte Tasse mitnehmen und sich einen neuen
Tee kochen musste.
Während das Wasser im Wasserkocher heiß wurde, überlegte sie, welchen Tee sie trinken wollte. In
dem zweitürigen, alten Hängeschrank bewahrte sie so viele Teesorten auf, dass sie vermutlich einen
eigenen Laden aufmachen konnte, aber irgendwie fiel es ihr trotzdem, oder gerade wegen der
großen Auswahl, so schwer, den geeigneten Tee zu finden. Sie war müde und aufgekratzt, und die
verschwommenen Bilder aus ihrem Traum geisterten ihr immer noch im Kopf herum. Ein
Schwarztee kam da nicht in Frage.
Nach reiflicher Überlegung konnte Elaine sich endlich für einen schlichten Hibiskustee entscheiden
und füllte die dunkelroten, leise raschelnden Blütenblätter in das trichterförmige Teesieb, das zu
ihrer Lieblingskanne gehörte. Als der Tee aufgegossen war, nahm sie ihn mit ins Arbeitszimmer,
stellte die Kanne vorsichtig auf eine alte Werbezeitung und ließ sich seufzend auf das schwarz-weiß
karierte Kissen direkt am warmen Kachelofen fallen. Als sie mit dem Rücken gegen die warmen,
glatten Kacheln sank, spürte sie zum wiederholten Male heute ihre Anspannung und Erschöpfung.
Sie versuchte, tief und ruhig zu atmen, aber die seltsamen Träume der letzten Nächte machten ihr zu
schaffen. Das Schlimmste an den Träumen war nicht etwa, dass sie besonders grausam oder
erschreckend waren. Nein, sie konnte sich nicht an einen Alptraum erinnern, aber die verworrenen
und verschwommenen Bilder, die in ihrem Hinterkopf hängen blieben und von dort aus zu flüstern
schienen Sieh genauer hin, das hier ist wichtig. Lebenswichtig!; eben diese Bilder zerrten an ihren
Nerven. Elaine war sehr sensibel und oft gestresst, und diese verdammten Träume machten ihren
Zustand nicht besser. Doch je intensiver sie versuchte, sich auf die Traumbilder zu konzentrieren,
desto dunkler und unklarer wurden sie.
Seufzend trank sie einen Schluck Tee und ließ sich wieder gegen die warmen Kacheln sinken. Es
dauerte nicht lange, und ihr Atem beruhigte sich tatsächlich. Sie schloss die Augen und begann, ihre
Gedanken einfach an sich vorbeiziehen zu lassen, ohne auch nur einen davon näher zu betrachten.
Doch etwas in ihrem Hinterkopf meldete sich. Was immer es war, flüsterte von fremden Welten,
von Abenteuern, die es zu bestehen galt, von Menschen, die sie noch treffen sollte. Elain lächelte
unbewusst und beruhigte ihre Gedanken. Sobald ich entspannt bin, schreibe ich das als Geschichte
auf, nahm sie sich vor. Damit zogen auch diese Gedanken vorüber.
Während Elaine durchatmete, um diese Gedanken abzuschütteln, spürte sie ein sanftes Ziehen im
Hinterkopf. Es war nicht unangenehm, aber es benebelte ihre Sinne. Ihre Augen fielen wie von
selbst zu, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Das Letzte, was sie bemerkte, war ein seltsames
Prickeln auf der Stirn.

Nebel waberte. Die Luft war warm und feucht. Zwielicht, das durch den Nebel drang. Hohe,
ungleichmäßige Säulen ragten in den fernen, verschwommenen Himmel, der wolkenverhangen sein
musste. Nur hier und da fielen Sonnenstrahlen hindurch. Der Boden war mit riesigen,
verschwommenen Dingen bedeckt, die, so sehr sich Elain auch anstrengte, immer unscharf blieben.
Plötzlich ballte sich der Nebel zusammen und ein Tier mit vier langen Beinen formte sich.

Elaine keuchte und schlug die Augen auf. Sie war im Arbeitszimmer, lag vor dem warmen
Kachelofen und alles schien wie immer zu sein.
Ihr Freund war mittlerweile aufgestanden und wunderte sich, warum sie vor dem Kachelofen lag.
Elaine mühte sich nicht mit einer weit ausschweifenden Erklärung ab, sondern ging ins Bad, drehte
die Gasheizung auf, die daraufhin gemütlich zu knacken anfing und ließ sich Badewasser ein.
„Mir geht’s nicht so gut“, sagte sie schließlich und schloss die Badezimmertür hinter sich. In das
dampfende, heiße Wasser gab sie den Inhalt einer kleinen Tüte, der das Wasser sofort nach Honig
und Mandeln duften ließ. Elaine atmete tief durch und schloss die Augen halb. Dann zog sie sich
aus, legte ihr weinrotes Tagebuch mit den goldenen Verzierungen und ihren Füller zurecht, ehe sie
ins Wasser stieg. Im ersten Moment war es fast zu heiß, aber dann entspannte sie sich.
Als die Wanne voll genug war, drehte sie das Wasser ab und ließ sich seufzend in den Berg aus
Schaum und das heiße Wasser darunter sinken.
Nach einer Weile waren ihre Muskeln entspannt genug, sodass sie sich die Hände abtrocknete und
so hinsetzte, dass sie gut schreiben konnte.
Zuerst fiel ihr nichts ein, aber dann begann sie, den letzten, fast klaren Tagtraum zu beschreiben, der
sie vor dem Kachelofen und schon so oft davor in letzter Zeit heimgesucht hatte. Noch während sie
schrieb, wurden ihre Augenlider immer schwerer. Es wurde zunehmend schwieriger, sich auf die
Buchstaben zu konzentrieren. Sie verschwammen, dann auch die Umrisse des Buches und der
Badewanne, und dann dämmerte Elaine weg.


Elaine schlug die Augen wieder auf. Es war immer noch warm und feucht, aber nichts, wirklich gar
nichts erinnerte mehr an ihr Bad. Sie war umgeben von einem lebendigen, grünen, atmenden
Urwald. Bäume reichten höher hinauf, als Elaine es je gesehen hatte. Ihre Stämme waren so
verschieden, dass keiner dem anderen glich. Wie Säulen, gefertigt aus der Hand eines ehrgeizigen,
phantasievollen Bildhauers, trugen sie das hohe, in der Ferne verschwommene Blätterdach, durch
das nur hier und da Sonnenstrahlen fielen. Elaine konnte nicht glauben, wo sie war. Sie musste
träumen. Sie war mit Sicherheit in der Badewanne eingeschlafen und träumte jetzt. Anders konnte
es gar nicht sein.
Sie sah sich weiter um. Zwischen den Bäumen wuchsen Sträucher, Kräuter und Pilze, die Elaine
noch nie gesehen hatte. Der erdige Geruch vermischte sich mit dem süßen Duft der Blüten, die sich
in allen Farben dem grünen Zwielicht entgegenstreckten. Insekten, so groß wie Vögel, turnten in
der Luft und besuchten die Blüten, die mal winzig klein, mal groß wie ihr Kopf waren. Noch nie im
Leben hatte sie solch eine Vielfalt und so viel Leben gesehen. Zu ihren Füßen wuchsen purpurrote
Pilze, die einen feinen, zimtigen Duft verströmten. In den Bäumen riefen unbekannte Vögel. Ihr
war, als würden Tiere im Dickicht herumschleichen und sich über die seltsame, fremde Gestalt
wundern, die mitten im Wald stand.
All diese Eindrücke stürmten auf Elaine ein. Sie verbrachte eine Viertelstunde damit, verwundert
ihre neue Umgebung zu betrachten, ehe ihr auffiel, dass sie immer noch nackt war. Erschrocken
über diese Tatsache wurde sie rot und flüchtete in ein Gebüsch. Sie hatte sich dummerweise genau
das Gebüsch mit den Dornen an den Ästen als Versteck ausgesucht. Fluchend verließ sie die
stachelige Falle rückwärts wieder und hoffte inständig, dass das hier niemand gesehen hatte.
Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises, beinahe zurückhaltendes Rascheln. Es war sehr nahe.
Elaines Erfahrung als Jägerin ließ sie augenblicklich innehalten. Langsam, unendlich langsam
drehte sie sich um.
Hinter ihr stand ein stattlicher Hirsch mit prächtigem Geweih. Auf seinem rötlich-braunen Fell
tanzten ein paar kleine Sonnenflecken. Der Blick aus seinen warmen, braunen Augen war wachsam,
aber wohlwollend.
Elaine wagte nicht, sich zu bewegen. Dass dieser Hirsch so wenig Scheu vor ihr zeigte, musste
nichts Gutes heißen. Sofort überprüfte sie, ob der Hirsch vielleicht Verletzungen am Haupt hatte,
die auf Tollwut hindeuteten. Der Hirsch schnaubte leise, als hätte er Elaines Gedanken gelesen und
amüsiere sich darüber. In seinen Augen spiegelte sich Verständnis, als er ihr dann anmutig zunickte.
Das hier muss ein Traum sein!, schoss es ihr durch den Kopf. Der Hirsch kam noch ein paar
Schritte näher und beschnupperte ihre Schulter. Elaine war erstaunt, wie groß der Hirsch war. Er
überragte sie um etwa einen Kopf. Dann lachte Elaine plötzlich.
„Ich bin verrückt, so sieht's aus. Endlich hab ich's geschafft. Sorgloses Leben in der Klappse, ich
komme!“, rief sie sarkastisch, aber voller Überschwang in den Wald.
Der Hirsch war erschrocken zusammengezuckt, als sie gerufen hatte. Einen Moment lang
betrachtete er sie argwöhnisch und schien zu überlegen, ob sie nicht doch eine Gefahr war, dann
kam er wieder heran und zupfte an ihrer Schulter. Dann legte er den Kopf schief und schien an ihr
herunterzublicken.
„Oh, ja, Kleidung“, Elaine überlegte einen Moment, „Ach, weißt du was? Da ich sowieso träume
und es hier viel zu warm ist, überspringen wir das mit den Klamotten. Obwohl...“
Der Hirsch schien das zu akzeptieren, dann plötzlich hob er das Haupt mit dem stattlichen Geweih
und sog geräuschvoll die Luft ein. Unsicher blickte er in eine Richtung in den Wald. Elaine folgte
seinem Blick, konnte aber weder etwas hören noch sehen. Der Hirsch stupste sie sanft in dieser
Richtung vorwärts, dann verschwand er im Gewirr aus Blumen, Blättern und riesigen Pilzen. Elaine
hätte schwören können, er wäre durchsichtiger geworden, bevor sie ihn gar nicht mehr gesehen
hatte.
Elaine fühlte sich auf einmal unsicher und beobachtet. Der Fakt, dass sie immer noch nackt war,
machte die Sache nicht besser.
Das ist echt ein beschissener Traum, stellte sie grimmig fest und suchte etwas, das als provisorische
Kleidung dienen konnte. Das erste, große Blatt, das sie fand, stellte sich als gigantische
Nesselpflanze heraus. Fluchend zog Elaine die Hand zurück und suchte weiter. Plötzlich hörte sie
hinter sich erneut ein Rascheln. Das musste der Hirsch wieder sein.
„Hör mal, Hirsch, Kleidung ist ja witzig, aber gibt’s hier irgendwas, das nicht giftig oder wehrhaft
ist?“, fragte sie, ohne sich umzuschauen.
„Nein, gibt es nicht. Mal ehrlich, wer kommt denn auf die Idee, nackt in den Zwielichtwald zu
gehen?“, fragte eine männliche, ihr unbekannte Stimme. Elaine fuhr herum und erschrak sich
fürchterlich, als sie ins Gesicht eines jungen Mannes blickte, das ihr vage bekannt vorkam. Seine
strubbeligen, schwarzen Haare fielen ihm in die Stirn, und auf der linken Wange prangte eine
ausgefranst wirkende, lange Narbe. Aus seinen dunklen Augen blickte er sie unverhohlen an, was
Elaine die Schamesröte ins Gesicht trieb. Sie huschte hastig tiefer ins Unterholz, das ihr wenigstens
ein bisschen Deckung bot.
„Ähm, ja. Könntest du dich bitte umdrehen?“, fragte sie, als der junge Mann immer noch auf sie
herabsah.
„Nein. Also, was zahlst du für ein paar ordentliche Klamotten?“, fragte er süffisant grinsend.
„Du Dreckskerl, du verlangst jetzt auch noch Geld, in meiner Lage? Ich hab nicht mal Taschen, wie
soll ich da Geld haben?“, empörte Elaine sich.
„Wer hat von Geld gesprochen?“, entgegnete der Mann kühl. Elaine schnappte nach Luft, und als
sie sich wieder gefasst hatte, klatschte sie ihm kurzerhand eine.
„AU!“, fluchte er und wollte sie festhalten, aber Elaine hatte längst die Flucht ergriffen.
Immer tiefer führte sie ihr Instinkt in den Wald, bis sie völlig die Orientierung verlor. Verzweifelt,
nackt und allein in einem Wald, den es gar nicht geben durfte, setzte sich Elaine unter einen
mächtigen Baum und begann zu weinen.
Das ist der beschissenste Traum, den ich je hatte...
Mein Prolog für den Fabula-Wettbewerb. /The Prologue to be submitted to the fabula-challenge.

Links zu den Steckbriefen:
Elaine
Hirsch
Craig
Melanie
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aerryi's avatar
Jury-Kommentar, der zweite:

Dein Prolog ist vollkommen regelkonform und beinhaltet alle Vorgaben. An Rechtschreibung/Grammatik/etc. ist nichts auszusetzen und dein Text liest sich sehr flüssig. Zwei-, dreimal hast du „Elain“ statt Elaine geschrieben, wahrscheinlich nur ein Flüchtigkeitsfehler.
(Kleine Nebenfrage: Liegt es nur an mir, oder ist dein Prolog etwas seltsam formatiert? Der rechte Seitenrand ist viel breiter als bei den anderen.)

Dein Stil wirkt angenehm und ruhig auf mich. Besonders im ersten Abschnitt benutzt du recht viele Adjektive zur Beschreibung, die nicht unbedingt notwendig wären, aber die nettes Beiwerk sind um die gemütliche morgendliche Atmosphäre auszuschmücken. Ein bisschen hat mich deine häufige Wiederholung der „warmen Kacheln“ oder des „warmen Kachelofens“ gestört. Wie du Elaines Träume beschreibst finde ich interessant und mir gefällt es, dass es eben keine Albträume sind, sondern dass sie sich regelrecht im Kopf „einnisten“. Allgemein hast du es geschafft, im ersten Abschnitt Elaine und ihr normales Leben ein wenig zu beleuchten, sodass man als Leser schon einen groben Überblick hat. Die Idee, dass sie die Träume in der Badewanne aufschreibt, finde ich toll, da du Elaine so ihre neue Situation noch viel mehr erschwerst, aber ich bin gespannt darauf, wie sie da rauskommen wird. Eine Sache, die du wirklich gut kannst, ist eine gute Atmosphäre zu liefern und mir gefällt die Waldbeschreibung besonders, da sie das Besondere und Exotische hervorhebt. Die Begegnung mit dem Hirsch hatte eine sehr märchenhafte und mysteriöse Stimmung, die den Leser ein bisschen neugierig macht. Elaines Interaktion mit ihrem zweiten OC, Craig, ist sehr kurz und knapp gehalten, was ich normalerweise bemängeln würde – da der Prolog ja aber nur eine Einführung sein soll, und du es geschafft hast, mit ein bisschen Dialog einen seiner Charakterzüge zu etablieren, passt das auch so. Eine kleine Sache, die mich etwas gestört hat: du hast im Urwald kurz erwähnt, dass sie durch ihre Erfahrung als Jägerin schnell reagiert. Mir persönlich kam das etwas aus dem Nichts und mir wäre es lieber gewesen, wenn das davor schon erwähnt worden wäre.

Zu deinem Linkproblem: Die Beschreibung kannst du immer noch mit dem „Edit“-Button ändern, Linkbenennung geht so: < a href=" Link hier "> Text hier< / a > (Leerzeichen müssen entfernt werden).